Interview mit dem Novizenmeister

Das Noviziat ist eine Zeit, die eine Vertiefung der Freundschaft zu Jesus Christus ermöglichen will. Aus dieser Freundschaft heraus kann die Entscheidung reifen, als Jesuit den Menschen dienen zu wollen. Thomas Hollweck SJ begleitet als Novizenmeister junge Menschen auf dieser Etappe des Ordenslebens. Er sieht sein Ziel nicht darin, dass alle Novizen am Ende Jesuiten werden, sondern dass jeder den Weg findet, der seiner ist.


Pater Hollweck, was ist die Aufgabe eines Novizenmeisters?

Das Noviziat dauert zwei Jahre. In dieser Zeit sollen die Novizen sich selber in ihrer Persönlichkeit und den Orden mit seiner Spiritualität, seine Lebens- und Arbeitsweise besser kennen lernen. Auf dieser Basis sollen sie eine gute Entscheidung treffen können, ob sie Jesuit werden wollen oder nicht. Meine Aufgabe ist es, die Novizen auf diesem Weg zu begleiten, ihnen Rückmeldungen zu geben und dafür zu sorgen, dass der Weg im Noviziat mit den dazugehörigen Schritten gut möglich wird. Etwas zugespitzt würde ich sagen: Mein Ziel ist nicht, dass am Ende alle Novizen Jesuiten werden, sondern dass jeder immer mehr wird, was in ihm steckt, und den Weg findet, der seiner ist. Das lohnt in jedem Fall.

Zwei Jahre Noviziat sind lang. Was macht man da den ganzen Tag?

Es gibt die Zeiten im Noviziatshaus. Das sind ruhigere Zeiten, in denen das Zusammenleben und der Austausch untereinander wichtig sind. Zugleich gibt es Unterricht und Kurse zu ganz verschiedenen Aspekten, die für das Leben als Jesuit relevant sind. Das geht von der Ordensgeschichte bis hin zu psychologischen Fragestellungen. Natürlich gehört zu den Tagen im Noviziatshaus auch das Gebet, die tägliche Eucharistiefeier, Essen und Denken, Putzen und Reden und das Ernst- und Fröhlichsein – ganz normaler Alltag eben auch.

Dann gibt es verschiedene Praktika, wo die Novizen an anderen Orten sind und Erfahrungen in verschiedenen Bereichen sammeln. Wichtig ist da die Frage, ob das geistliche Leben auch unter diesen veränderten Bedingungen und in verschiedenen Kontexten „funktioniert“.

Und schließlich – oder vielleicht besser gesagt an erster Stelle – gibt es die Zeiten der Exerzitien, wo es noch mal ganz still wird und ausdrücklich mehr Raum ist für die Beziehung mit Gott. Das ist das Kernstück, das letztlich alle verbindet. Das ist der Ort, wo am Ende auch die Entscheidungen herauswachsen oder ihre Wurzel haben sollen.

Was wollen Sie Ihren Novizen vor allem vermitteln?

Man kann viele Vorgaben machen und Erwartungen formulieren, die von den meisten dann vermutlich sogar erfüllt werden. Ich glaube, dass das letztlich nicht viel nützt. Am Ende nützt nur, wenn in Menschen eine eigene Überzeugung gewachsen ist, eine eigene Antwort oder Verantwortung. Wem Gebet wichtig geworden ist, wird sich auch nach dem Noviziat dafür Zeit nehmen. Wer überzeugt ist, dass Kommunitätsleben mit seinen schönen und mit seinen anstrengenden Seiten etwas Lohnendes und sogar Notwendiges ist, wird sich auch später für ein gelingendes Kommunitätsleben einsetzen und dafür etwas tun, selbst wenn es nicht immer nur einfach ist. Was ich vermitteln möchte, ist so etwas wie: selber denken und nach den eigenen Überzeugungen fragen; leben und lebendig entwickeln, was einem selber wichtig erscheint. Und wenn das zum Jesuitenorden passt und Du das Gefühl hast, dass Du gern so leben magst, dann ist das wunderbar.

Was für Leute kommen heute in ein Noviziat der Jesuiten?

Ganz unterschiedliche Menschen. Unterschiedlich vom Elternhaus her, von der katholischen Sozialisation her, auch vom Lebensalter und den Vorerfahrungen. Viele haben schon studiert oder waren berufstätig. Unser Noviziat ist in den letzten Jahren auch zu einem internationalen Noviziat geworden, wo Menschen aus verschiedenen Ländern und mit verschiedenen Muttersprachen zusammenkommen. Das Erstaunliche ist, dass das so möglich ist. Ich persönlich finde das super. Offensichtlich ist da etwas Gemeinsames, was die Leute wollen und sie verbindet, und das hat mit einer Option für Gott und für die Menschen zu tun.

Jesuiten haben eine anspruchsvolle Ausbildung. Ist Intelligenz das wichtigste Kriterium, um aufgenommen zu werden?

Nein. Wichtig ist, dass jemand angemessen menschlich reif ist, ein vernünftiges Urteil hat und bereit ist, zu lernen. Was zählt, ist eine Sehnsucht nach Gott und ein weites Herz für die Menschen. Wer sich bewirbt, sollte Abitur oder eine Berufsausbildung mitbringen. Wer Priester werden will, muss Philosophie und Theologie studieren. Man kann auch Ordensbruder werden. Dann wird eine Berufsausbildung oder ein Studium je nach der für später vorgesehenen Aufgabe gewählt. Im Jesuitenorden gibt es dafür ein weites Spektrum, wo sich Menschen, die mit ganz unterschiedlichen Qualifikationen kommen, gut einbringen können.

Für viele Menschen ist es heute schwer verständlich, wie ein junger Mensch sich auf Armut, Keuschheit oder Gehorsam einlassen kann. Manche sagen, dies sei unmenschlich.

Sicher widerspricht diese Lebensweise zunächst einmal der heutigen Vorstellung von Leben und was zum Leben gehört. Das gilt besonders für den Bereich Partnerschaft und Sexualität. Immerhin verzichtet man auf einiges Wichtige und Schöne im Leben. Das kann irgendwie sonderbar vorkommen oder verrückt erscheinen. Aber dafür wird anderes möglich, bekomme ich viel anderes geschenkt, was mit der Art von Gottesbezug, Gemeinschaft, Dienst an Menschen im Zusammenhang steht. Am Ende geht es um ein Lebensprojekt, wo der Einzelne merken muss: „Das passt zu mir“; „das stimmt so“; „ich glaube, dass ich hier als der Mensch, der ich bin, zufrieden, froh, glücklich sein kann, weil ich es als zutiefst sinnvoll erfahre“. Wenn ein Novize das für sich ahnt, dann kann und darf er diesen Weg gehen. Ansonsten wird er hoffentlich in Frieden einen anderen Weg nehmen.

Warum haben Sie sich damals für den Jesuitenorden entschieden?

Mich hat damals die ignatianische Spiritualität sehr angesprochen, z.B. so ein Satz wie „Gott suchen und finden in allem“, also eine Spiritualität, die alles andere als abgehoben ist, sondern gerade in der Wirklichkeit der Menschen und der Welt ansetzt. Das finde ich immer noch faszinierend. Auch die Mischung von Gemeinschaftsleben einerseits und der Wertschätzung für den sehr persönlichen Weg des Einzelnen andererseits hat mich gelockt. Da ist nicht an jedem Tag immer alles einfach und entspricht auch nicht immer nur den Idealvorstellungen. Aber ich glaube, das passt zu mir oder umgekehrt: Da passe ich von meinem Wesen her hinein.

Bei anderen Gemeinschaften sinken die Eintrittszahlen. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Man hat derzeit das Gefühl, dass es in Europa mit der Kirche und den Orden – allein, was die Zahlen betrifft – abwärts geht. Bei aller denkbaren Kritik an kirchlichen Ausdrucksformen und vielleicht auch an Orden und ihrer mangelnden Erneuerungskraft, denke ich, dass der enorme Verlust für unsere Kultur und Gesellschaft, der mit diesem Rückgang verbunden ist, noch gar nicht abzuschätzen ist. Hier geht etwas verloren, was nicht so leicht oder vielleicht gar nicht durch anderes ersetzt werden kann. Zugleich bin ich sehr froh, dass bei uns Jesuiten keine negative oder pessimistische Stimmung aufkommt. Die vitale Frage, was Gott von uns will und wie wir uns mit unseren Möglichkeiten für Menschen einsetzen können, bleibt an erster Stelle.

Erstaunlich ist, dass in den letzten Jahren die Eintrittszahlen bei uns Jesuiten in Europa eher stabil sind. Ich glaube, dass unter allen denkbaren Lebensprojekten auch das Leben als Jesuit für junge Menschen eine attraktive Alternative sein kann, um im Gottesbezug und für Menschen sich sinnvoll in dieser Welt einzubringen.


P. Thomas Hollweck SJ ist Novizenmeister für die Deutsche, Österreichische, Schweizer, Litauisch-Lettische und Ungarische Provinz. Der gebürtige Oberpfälzer Thomas Hollweck (*1967) ist 1992 in die Gesellschaft Jesu eingetreten. Nach einem Aufbaustudium in „Spiritueller Theologie“ in Madrid wurde er 1999 in München zum Priester geweiht. Er arbeitete in der Hochschulpastoral in München und als Kirchlicher Assistent der Gemeinschaft Christlichen Lebens (GCL) in Deutschland. Von 2009 bis 2015 war er als Spiritual und Priesterseelsorger im Erzbistum Hamburg tätig.

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