Noviziatsprogramm

Zwischen Hochspannung und Langeweile spielt sich die zweijährige Ausbildungszeit des Noviziats ab. Aktive Zeiten während mehrerer Experimente wechseln sich ab mit eher ruhigen Zeiten im Noviziatshaus in Nürnberg (Ordo solitus = normaler Tagesablauf).

Die Ausbildungszeit beginnt im September mit einer zweiwöchigen Kandidatur und dreitägigen Kurzexerzitien (Triduum), an deren Ende die Kandidaten im Noviziatsversprechen zum Ausdruck bringen, dass sie sich auf den Weg des Noviziates einlassen wollen.

Von Oktober bis Dezember steht die Einübung des „Ordo solitus“ im Vordergrund. Die Novizen sollen eine persönliche Struktur ihres geistlichen Lebens finden. Im Unterricht („Instruktionen“) machen sie sich mit den Ordenssatzungen, den Gründungsdokumenten und der Gestalt des Ordensgründers („Pilgerbericht“ von Ignatius von Loyola) vertraut. Außerdem ist die Beschäftigung mit der eigenen Biographie und die Auseinandersetzung mit persönlichen Lebensthemen für die ersten Monate im Noviziat prägend. Über den Jahreswechsel besuchen die Novizen ihre Familien. Von dort aus geht es im Januar/Februar ins erste Experiment.

Zurück in Nürnberg steht im März und April die Unio animorum (Einheit der Herzen) auf dem Unterrichtsplan der Novizen – das, was den Jesuitenorden zusammenhält. Schwerpunkte sind dabei das Recht und die Geschichte des Ordens. Die im ersten Ausbildungsabschnitt bereits begonnene Beschäftigung mit der eigenen Persönlichkeitsentwicklung wird durch eine einwöchige Einführung in die Psychologie vertieft und auf eine theoretische Grundlage gestellt.

Höhepunkt des ersten Noviziatsjahres sind die Großen Exerzitien, die ein Jesuit normalerweise nur zweimal auf seinem geistlichen Werdegang macht, im Noviziat am Beginn und im Tertiat am Ende der Eingliederung in den Orden. Die Novizen fahren zu den 30-tägigen Exerzitien in eines der Exerzitenhäuser des Ordens, wo sie sich begleitet vom Novizenmeister dem Gebet, der Schriftbetrachtung und der Meditation widmen. Dabei sollen sie durch nichts Äußeres abgelenkt werden und viel Zeit im Schweigen verbringen. Die Exerzitien sind ein intensiver innerer Prozess der Wandlung und Neuorientierung und dienen der Entscheidungsfindung und -klärung. Unter spirituellen und theologischen Gesichtspunkten wird die Exerzitienerfahrung systematisch vor- und nachgearbeitet.

Der Juli ist dem dritten Experiment vorbehalten, bei dem die Themen Armut und Pilgerschaft praktisch erlebt und erlitten werden. Im Sommer fahren die Novizen gemeinsam in den Urlaub. Außerdem sollen die Novizen am Ende des ersten Ausbildungsjahres sich in einer Noviziatsarbeit eingehend mit einer spirituellen Fragestellung auseinandersetzen.

Ausbildungsinhalte im zweiten Jahr sind vom Herbst bis zum Jahreswechsel vor allem die Evangelischen Räte Armut, Keuschheit und Gehorsam sowie eine Einführung ins kontemplative Gebet. Nach dem Besuch der Familien zum Jahreswechsel folgt im Januar/Februar als viertes Experiment ein Sozial- oder Pastoralpraktikum.

Bis nach Ostern stehen wieder die Ordensgeschichte, die Psychologie des Ordenslebens, „Exerzitien im Alltag“ sowie die Mitfeier und Gestaltung der Kar- und Osterliturgie im Zentrum des Interesses. Der Sommer ist den Studienexperimenten gewidmet. Am Ende der zweijährigen Noviziatszeit rückt die persönliche Standortbestimmung mit einer Reflexion des gesamten Noviziatsweges in den Vordergrund. In achttägigen Exerzitien bereiten sich die Novizen auf die Ablegung ihrer „ersten Gelübde“ im September vor.


Ordo Solitus: Das normale Tages- und Wochenprogramm

Mehr aus unserem Blog

Berufungsgeschichte

Vom Eventmanager zum Jesuiten – Berufungsgeschichte von Mathias

Mathias Werfelis Berufung hat 38 Jahre gedauert. Er studierte, arbeitete am Flughafen und als Eventmanager, war beim Militär. Irgendwann hat…
Vom Eventmanager zum Jesuiten – Berufungsgeschichte von Mathias

Ausbildung Gelübde Noviziat

Jesuit werden: Nach Innsbruck kommt Paris

Am Ende seines zweijährigen Noviziates hat Gabrielius Zaveckas (auf dem Bild in der Mitte im Kreis seiner Mitnovizen) am 10.…
Jesuit werden: Nach Innsbruck kommt Paris

Seite an Seite

Bruder Michael Schöpf SJ – „Immer ganz nah an den Geflüchteten“

Immer ganz nah an den Geflüchteten Der deutsche Jesuitenbruder Michael Schöpf SJ ist weltweiter Direktor der renommierten Flüchtlingshilfsorganisation Jesuit Refugee…
Bruder Michael Schöpf SJ – „Immer ganz nah an den Geflüchteten“