Geschenk der Nachfolge

Dieser Text ist auf Grundlage meiner Predigt in Parchim, in der Pfarrgemeinde meiner Großeltern, am 14.10.2018 eine Woche nach meiner Priesterweihe entstanden. Das Sonntagsevangelium war Mk 10:17-30.

„Hier hat mich mein Gott verloren.“ So sang es der ostdeutsche Liedermacher und Baggerfahrer Gerhard Gundermann in einem seiner Lieder. „Hier hat mich mein Gott verloren.“ Hier, das heißt ganz einfach erstmal, dass wir uns die Zeiten unseres Lebens nicht aussuchen können. Wir sind in viele Umstände hineingeworfen – so wie bei einer Lotterie wird uns ein Los zugeteilt.

„Und hier holt er (mein Gott) mich wieder ein.“ So geht das Lied bei Gundermann weiter. Es scheint ein komisches Glaubensbekenntnis zu sein, aber in meinen Ohren klingt es jedenfalls nach einem. Mag Gott mich hier und heute „verloren“ haben, er holt mich hier und heute wieder ein. So mag ich vertrauen, dass mein Leben mir zwar einem Lotterielos gleich zugeteilt wurde, aber dass ich eben auch Gottes Los bin, das in diese Zeiten fiel (Psalm 16).

In den Evangelien geht die Frage nach der Berufung immer in die Richtung, was bin ich bereit, für die Nachfolge Jesu einzusetzen. Konkret heißt diese für Petrus, die anderen Jünger und alle anderen Menschen, die den Weg Jesu kreuzten: Vertraue ich? Vertraue ich Gott, dass er mein Los für dieses Leben in den Händen hält, auch wenn ich dafür Brüche mit meinem bisherigen Leben eingehen muss?

Eine Sache ist für mich im letzten Jahr in Vorbereitung auf die Diakonen- und Priesterweihe klar geworden: die Nachfolge Jesu kann für mich nur ein Leben aus der Erfahrung der Liebe Gottes bedeuten. Die Erfahrung der sieben Jahre im Jesuitenorden ist, dass mich Gottes Liebe verändert hat. Es ist eine Veränderung – so wage ich zu behaupten –, die mich mehr zu mir selbst geführt hat, so wie ich mich von Gott, mit seinen Augen auf mein Leben geblickt, her ahne.

Deshalb verstehe ich Nachfolge Jesu inzwischen als ein Geschenk, immer mehr man selbst zu werden. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass man ein neuer Mensch für seine Mitmenschen wird. Dies ist eine Erfahrung, die man in der Familie und im Freundeskreis erlebt, nicht nur wenn man sich entscheidet Jesuit und Priester zu werden – auch wenn aus den eigenen Kindern Eltern werden, wenn Kinder Geschwister bekommen, wenn aus den eigenen Eltern Großeltern werden. Immer bricht sich neues Leben die Bahn. Immer gilt es neue Wege zu gehen. Immer wieder gilt es, ein Teil neu man selbst werden.

„In deinem Licht schauen wir das Licht.“ (Psalm 36:10) Diesen Satz haben zwei Mitbrüder und ich als Leitmotiv für unsere Priesterweihe ausgewählt. Ich verbinde damit den Impuls und die Ermahnung, immer wieder neu mein Leben in das Licht Gottes zu stellen. Ja, damit zu rechnen, dass Gottes Licht, seine Liebe auf mein Leben fällt. Mir hilft dabei der tägliche Rückblick auf den Tag, um die Gefühle, die sich im Laufe des Tages bei mir angesammelt haben, zu ordnen. Das Licht Gottes strahlt so auch Neues an, was mir verborgen geblieben war. Ein neuer Blickwinkel wird mir möglich – und letztlich auch neues Vertrauen.

 

Clemens Kascholke SJ

 

Clemens Kascholke SJ, geboren 1988, seit 2011 Jesuit.
Clemens Kascholke SJ, geboren 1988, seit 2011 Jesuit.

 

 

 

 

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